Wettkampfplanung und das Jahreshighlight

Die nachfolgenden Tipps und Empfehlungen sind als grundlegende Hilfestellung sowie Ergänzungen und somit jeweils optional zu sehen.

 Autor: Sebastian

1. Streckenwahl (Länge, Schwierigkeit)

Am Anfang steht die Frage, wie lang und schwierig soll die Wettkampfstrecke sein?

Kann ich grundsätzlich ausreichend trainieren um für meinen Wunschlauf fit genug zu sein?  Mit zunehmender Länge des Wettkampf sollte ich optimalerweise mindestens einmal (besser öfter) in der Woche (sehr) lange Läufe über viele Kilometer und Stunden durchführen können. Idealerweise in ähnlichen Geländegegebenheiten wie dem geplanten Wettkampf. Damit einher geht die Frage, wieviele Höhenmeter soll der gewünschte Lauf haben und ist dieser für mich machbar. Je nach Gegebenheiten kann auch ein technisch schwieriger Hundertmiler oder ein Mehrtagesevent ein realistisches Ziel sein. Ist das aus verschiedenen Gründen nicht so, sind geringere Distanzen und Eintagesveranstaltungen in laufbareren Gegenden sicherlich empfehlenswerter. Grundsätzlich bedeutet es aber nicht, dass, wenn jemand in der Norddeutschen Tiefebene wohnt, er oder sie nicht auch einen alpinen Trail in Angriff nehmen können. So ein „Projekt“ erfordert jedoch eine adäquate Vorbereitung mit ggfs. Laufcamps oder Trainingslagern in entsprechenden Regionen mit den passenden Strecken/Passagen.

Die Auswahl an eher laufbareren Trailevents bis hin zu technisch schwierigen hochalpinen (Extreme) Skyraces wird auch nach der Corona-Krise ungebrochen sein. Wenngleich sich dann wahrscheinlich erst einmal die Rennen gegenseitig „überlagern“. Aber das wird sich über kurz oder lang relativieren. Wichtig ist, sich ein realistisches Ziel, angepasst an die eigenen (Trainings-)Möglichkeiten, zu definieren. Für manche Rennen muss man sich so oder so qualifizieren. Da gilt es dann, entsprechende Trailbewerbe zu suchen, die einen an das lang ersehnte Ziel bringen.

Beispiel für Markierungen mit Fähnchen im steinigen Gelände. Es sind 2 Fähnchen zu erkennen 😉

 2. Streckenkarte/-beschreibung lesen und verstehen

Fast ein jeder Veranstalter stellt eine Streckenkarte oder zusätzlich eine GPX-Datei von seinem Rennen zur Verfügung. Manchmal sogar interaktiv, mit Höhenprofil und den Verpflegungs- sowie Sanitätspunkten. Die kann man sich nicht nur auf die Uhr oder das Smartphone laden, sondern vor allem benötigt man einen guten Streckenplan für eine realistische Kalkulation der Wegzeit von Punkt zu Punkt. Denn je nachdem wie die äußeren Bedingungen sind, richtet sich die mitzuführende Ausrüstung und Verpflegung inklusive Getränke danach. Zusätzlich ist die mutmaßliche Durchgangszeit an vereinbarten Punkten auch für die eigenen unterstützenden Helfer wichtig, z. B. um an den entsprechenden Punkten Verpflegung oder Wechselwäsche/-schuhe zu reichen. Manche Veranstalter stellen die Streckenkarten auch mit Einteilung der jeweiligen technischen Schwierigkeit in Sektionen bereit oder drucken diese idealerweise auf die Startnummer. So kann man sich im Rennen zumindest grob orientieren. Insgesamt hat es mir immer sehr geholfen, zu wissen wo ich ungefähr bin und wo die „Schwierigkeiten“ sind bzw. was eher laufbares Terrain ist. Die Kräfteeinteilung und ggfs. Pausen an VP´s oder Hütten sind so besser planbar, auch noch unterwegs. Vor allem fand ich das für meinen Kopf wichtig und hilfreich, dem wichtigsten und effektivsten Bestandteil! 

Wer unterwegs Wasser nicht nur an den VP´s auffüllen möchte, sollte folgende Grundregeln im Umgang mit Frischwasser beachten: Stehende Gewässer sind grundsätzlich tabu, das gilt insbesondere auch für Viehtränken oder ähnliches! Es führt auch nicht jeder auf der Karte verzeichnete Bachlauf im Hochsommer tatsächlich Wasser. Daher immer eine Reserve bzw. Alternative einplanen und lieber früher als später auffüllen. Wenn ich einen Bachlauf habe, der oberhalb von Kühen begangen wird und in Folge diese ihre Notdurft darin verrichten, sollte ich es eher lassen, davon Wasser zu nehmen. Wer über ein Filtersystem seine Wasservorräte wieder auffüllt, der kann bei einigen oben genannten Punkten Abstriche machen. Je nachdem was der Filter auch tatsächlich herausfiltern kann!

3. Trainingsanpassung des Untergrunds und der Ausrüstung

Wie unter Punkt 1 erwähnt sollte man, je schwieriger das (Highlight)Rennen wird, die Trainingsgegebenheiten daran anpassen. Das betrifft natürlich die Länge, aber vor allem auch den Untergrund und die Schlüsselstellen im Rennen.

Ein Beispiel:

Wer kennt sie nicht, die Videos von den Skyraces rund um den Globus? Rennen entlang eines schmalen Grats, Klettern entlang eines Felsens mit oder ohne Seil, gefolgt von einem mörderischen Downhill, manchmal über mehr als 1000 Hm mit weglosem Geröll. Klingt super und die Videos sind einfach zu verlockend. Aber wer weiß schon von sich, dass er auf einem bröseligen Untergrund mit potentieller Absturzgefahr auch noch mehr als nur verkrampft gehen kann?

So ein oben beschriebenes Gelände haben die wenigsten von uns zum Trainieren vor der Haustür. Muss man aber auch nicht zwingend, solange der geneigte Protagonist sich in der Vorbereitung zumindest zeitweise an solche Passagen wagt und damit ausgiebig konfrontiert um dann im Lauf nicht gänzlich von den Gegebenheiten übermannt zu werden. Denn starten, um dann festzustellen, dass man eigentlich keinen Mut und vielleicht auch keine Kraft hat, sich die dritte Seilpassage im abschüssigen Gelände entlangzuhangeln, ist nicht nur für einen selbst sehr gefährlich, sondern bringt mitunter auch weitere Teilnehmer, aber vor allem die Helfer und Retter in Gefahr. 

Das gilt natürlich auch analog für die Wahl der Ausrüstung. Neues Material, egal welcher Art, kann funktionieren, muss es aber nicht immer. Gerade für Leute mit empfindlichen Hautpartien, egal wo am Körper, empfiehlt es sich, das Material, und hier gerade das unmittelbar auf der Haut getragene, auf längeren Runden vorher testzutragen. Diverse Cremes können hier unterstützen, damit es keine Scheuerstellen gibt.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist auch, wer Stöcke im Wettkampf nicht nur spazieren tragen oder als Stolperfalle für sich und die Mitläufer nutzen möchte, sondern als effektive Unterstützung nutzen will, sollte vorher ausgiebig damit trainiert haben. Nicht jeder von uns geht im Winter Langlaufen, Skitouren und ggfs. im Frühjahr/Sommer zum Skiroller fahren und benutzt daher die Stöcke eh schon ausgiebig. Auch machen die Schlaufen der Stöcke gerne mal Blasen, wenn die Hände das nicht gewohnt sind. Hinzu kommt ggfs. noch das Zusammenfalten bzw. Verstauen der Hilfsmittel am Rucksack und auch das Wiederherausholen. Stöcke verfügen darüber hinaus auch über ein spitzes Ende, was für die hinter einem Laufenden unter Umständen schmerzhaft sein kann, wenn man damit nicht richtig umgehen kann!  

4. Ausrüstungswahl / ggfs Wechselklamotten / Schuhe

Ergänzend zu den vorgenannten Punkten ist bei vielen Veranstaltungen eine Mindestausrüstung vorgeschrieben. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, je internationaler die Rennen werden, umso weniger Ausrüstung wird vorgeschrieben. So gab es z. B. bei meinen Teilnahmen an verschiedenen (Extreme) Skyraces häufig lediglich die Vorgabe, dass man eine Regenjacke, Rettungsdecke, Handy sowie eine 500-ml-Flask mitzuführen hat. Ganz ehrlich, mehr habe ich z. B. beim Hamperokken Skyrace, mal abgesehen von etwas Zusatzfutter und den am Körper getragenen Sachen, trotz Dauernieselregen und 2 °C auch nicht benötigt.

Wem die manchmal weit voneinander entfernt liegenden Verpflegungspunkte zur Nahrungsaufnahme ausreichen, der braucht nicht einmal das, insofern genug trinkbares Wasser unterwegs verfügbar ist.  

Ob das vom Veranstalter vorgeschriebene Material immer Sinn macht, stell ich mal dahin. Fakt ist jedoch, was laut Reglement mitzuführen ist, gehört in den Rucksack oder die Weste. Das gilt für alle Teilnehmer, egal wie schnell oder wer sie auch sein mögen.

Jetzt gilt es, die Sachen so effektiv wie möglich zu verpacken, um während des Laufs am besten ohne langes Suchen und Fummeln daran zu kommen.

Prinzipiell wird gesagt, was man nicht mindestens 1000 Mal geübt hat, funktioniert in Stresssituationen nicht. So oft muss der Rucksack oder die Weste jetzt nicht vollgepackt im Training “Gassi geführt werden”. Aber ich packe meinen Rucksack bzw. Weste immer gleich. Das heißt, die Fächer sind immer gleich bestückt, um da eine gewisse Routine zu gewährleisten. Auf Trainingsrunden verzichte ich dann ggfs. mal auf das ein oder andere Kleidungsstück aufgrund des Wetters. Wobei ich mir im Vorhinein immer die Frage stelle, was macht das Wetter auf absehbare Zeit und kann ich im Notfall ggfs. alleine weiter oder Absteigen? Meine persönliche Grundausstattung bei längeren Runden ist mindestens eine 500ml Flask, Handy, Rettungsdecke mit Erst-Hilfe-Kit und Tape (zum Stabilisieren beim Umknicken), Regenjacke und ein bisschen “Fresserei”. Hier im Idealfall mit eben den Sachen, die schlussendlich auch im Wettkampf eingesetzt werden sollen. 

Eins noch am Rande: Eine effektive Möglichkeit, Wärme zu erhalten, ohne extra einen Longsleeve mitzunehmen ist, die Rettungsdecke unter die angezogene Regen/Windjacke stopfen und so gleichmäßig als möglich überall an Rücken und Front zu verteilen.

Mit entsprechender Länge der Strecke erlauben Veranstalter das Deponieren von sogenannten Dropbags an Versorgungspunkten. Das sind Beutel die ich selbst packe und im Vorhinein beim Veranstalter abgebe um dann im Rennen an einem bestimmten Versorgungspunkt darauf zurückgreifen zu können. Man sollte sich also vorher Gedanken machen, wann bin ich da voraussichtlich und ändert sich ggfs. laut Vorhersage das Wetter und oder der Untergrund sodass ein Schuh- bzw. Bekleidungswechsel oder Ablegen oder Ergänzen von Kleidung Sinn macht. Kann man das aus verschiedenen Gründen nicht vernünftig im Voraus planen, sollte idealerweise eine Gut- und Schlechtwettervariante ins Dropbag gepackt werden

Prinzipiell ist es bei fast allen Veranstaltungen erlaubt, sich an VP´s durch Dritte (Angehörige/Helfer) Schuhe oder Wechselwäsche reichen zu lassen. Solange man nach dem jeweiligen Wechsel nicht weniger mit sich führt als beim Start. Das schließt sich bei Schuhen ja quasi von selbst aus, bei Bekleidung ist das hingegen zu beachten. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass ein Schuhwechsel bei manchen Läufen eine Option darstellt, da der Untergrund so deutlich wechselt, dass der bisher getragene Schuh nicht die optimale Wahl ist. Auch kann der Schuh auf einmal drücken oder geht sogar defekt, dass alles kam schon vor. Auch ein schneller Schuhwechsel sollte daher vorher einmal geübt werden.

Noch etwas zur Materialwahl, ich persönliche trage Sommer wie Winter als Unterwäsche immer Merinosachen. Ich finde es sehr angenehm zu tragen, macht für mich als starken Schwitzer ein angenehmes Klima und es riecht nicht während und auch nicht nach dem Lauf sofort unangenehm. Schafwolle verträgt oder mag aber nicht jeder, da kann Material aus Polyester oder ähnlichen synthetischen Fasern (idealerweise recycelte) eine gute Alternative sein.

5. Verpflegungswahl / Veranstalter / eigene Produkte / Anreichen

Alle mit dem berühmten Saumagen können über diesen Punkt hinweglesen. Aber jeder, der einen sensiblen Magen hat oder je länger der geplante Wunschlauf voraussichtlich dauern wird, sollte sich mit der Frage hinsichtlich einer sinnvollen Ernährung beschäftigen. Auch hier gibt es oft im Vorhinein einen Verpflegungsplan, an welchen Punkten was dem Läufer zur Verfügung steht. Kennt man die an den VP´s gereichten Produkte nicht, sollte man entweder die eigenen Ernährungsprodukte für das besagte Highlight-Rennen einplanen oder vorher die dort gereichten Produkte kaufen und bei Trainingsläufen oder Testrennen ausprobieren.

Grundsätzlich kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass gerade die Aufnahme von Nahrung, egal welcher Art, unter Belastung trainiert werden sollte. Prinzipiell kann der Körper nämlich nur eins vernünftig, entweder verdauen oder laufen.

Anekdote zum Thema “Probier ich, sieht lecker aus”: Ich habe vor langer Zeit mal beim Rennsteiglauf mitgemacht. Ein Kumpel, der mir seinerzeit bei der Trainingsplanung geholfen hat, meinte, ich solle unbedingt unterwegs den Haferschleim ausprobieren. Wer schon mal den Rennsteiglauf (Supermarathon) mitgemacht hat, weiß, wovon ich rede. Besagten Haferschleim gibt es ausschließlich an einem VP (Motorclub irgendwas), so ca. bei km 50. Wie erwähnt nehm ich besagten angepriesenen Haferschleim zu mir und augenblicklich kann ich das Weiterlaufen wegen einem Klumpen im Bauch vergessen. Die nächsten 45 min verbringe ich ausschließlich wandernd und versuche dabei, diesen Klumpen im Bauch wieder loszuwerden. Nachdem mir das irgendwann hinter einem Busch gelungen ist, konnte ich den Rest tatsächlich noch ins Ziel laufen. Wunschzeit ade, aber egal. Jeder lernt aus Fehlern 😉

Ein Punkt noch zum Schluss. Gerade wer viel schwitzt, egal ob bei sengender Hitze oder wie ich einfach immer, sollte auf eine ausreichende Aufnahme von Salz achten! Daher genau lesen, was in den zu sich genommenen Produkten enthalten ist und ggfs. mit Salztabletten oder speziellen Produkten mit erhöhtem Salzgehalt ergänzen.

Downhill beim Tromsø Hamperokken Skyrace. Das Bild entstand (auf einem Stein sitzend) kurz unterhalb des Gipfels am Hamperokken mit Blick auf den ersten Teil, der Rest verschwindet im Nebel…

6. Höhen- bzw. Tiefenangst

Aus eigener langjähriger Erfahrung in den Bergen und durch Teilnahmen an diversen (Extreme) Skyraces kann ich zu dem Thema folgendes sagen:

Die besagten Ängste beim Blick in die Tiefe an ausgesetzten Stellen sind tatsächlich kontrollierbar. ABER, ich muss mich dazu z.B. jedes Jahr aufs Neue an eben solche Stellen herantasten. Das heißt, ich steigere ab dem Frühjahr nach und nach die Situationen, in denen ich an ausgesetzten Stellen entlang muss. Das mach ich fast ausschließlich allein. Denn so kann ich das jeweilige Tempo für mich bestimmen, ohne jemanden zu behindern oder mich durch andere gehetzt zu fühlen. Ich kann mich dann voll und ganz auf meine „Ängste“ konzentrieren ohne auf andere „aufpassen“ zu müssen. 

Ein Tipp dazu: Gerade in Österreich und der Schweiz ist es ein gern genommenes Highlight bei Trailruns über diverse Hängebrücken in den Bergen zu rennen. Wer also Probleme mit Höhe bzw. dem ungebremsten Blick in die Tiefe hat, sollte sich in dem Zusammenhang vorher genau mit der Streckenbeschreibung auseinandersetzen.